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Die Impulserhaltung

Eine weitere mögliche Symmetrie der Lagrange Funktion ist die Translationsinvarianz. Diese bedeutet folgendes: Man nehme alle Ortsvektoren und füge instantan einen festen beliebigen Vektor $\vec \varepsilon$ hinzu: $\vec{r}_i\rightarrow\vec{r}_i+\vec{\varepsilon}$. Sollte, nach dieser Transformation, die Lagrange Funktion gleich aussehen wie vor der Transformation, dann ist das System translationsinvariant. Abgeschlossene Systeme mit potentieller Energie, die nur von Differenzvektoren abhängen, sind translationsinvariant. Mit $\delta \vec{r_i} = \vec{\varepsilon}$ und $\delta \dot {\vec r}= 0$ bekommen wir

\begin{displaymath}
\delta L=\sum_i\frac{\partial L}{\partial\vec{r}_i}\delta \v...
...um_i \frac{d}{dt}\frac{\partial L}{\partial \dot {\vec r}_i})
\end{displaymath}

Die Translationsinvarianz fordert $\delta L =0$, für jeden $\varepsilon$. Das führt zu

\begin{displaymath}
\frac{d}{dt}\sum_i\frac{\partial L}{\partial\dot{\vec r_i}}=0,
\end{displaymath}

d.h. die Grösse $\sum_i\frac{\partial L}{\partial\dot{\vec r_i}}\doteq \vec{P}$ ist ein Integral der Bewegung, und heisst Gesamtimpuls aller Massenpunkte. Solange $L$ translationsinvariant ist, bleibt das Gesamtimpuls erhalten. Durch Differenzieren der Lagrange Funktion finden wir, dass der Impuls sich folgendermassen durch die Geschwindigkeit der Massenpunkte ausdrückt:

\begin{displaymath}
\vec P = \sum_i m_i \dot {\vec r_i},
\end{displaymath}

d.h. der Impuls ist die Summe aller der Impulse der einzelnen Massen. Die Impulserhaltung haben wir schon in Kap. 2 benutzt, zwar nicht offensichtlich aber entscheidend für eine Vereinfachung des Zweikörperproblems. Die Konstanz von $\vec P$ kann man in der Tat benutzen, um einen fiktiven Ortsvektor $X$ zu definieren, der trotz der Komplikation eines Mehrkörperproblems, eine geradlinige Bewegung durchführt, mit konstanter Geschwindigkeit: In der Tat,

\begin{displaymath}
\vec X \doteq \frac{\sum_i m_i \vec{r}_i }{\sum_i m_i}
\end{displaymath}

mit der Masse $\sum_i m_i $ hat den Impuls $\vec P$. $\vec{X}$ bezeichnet den Ort des Schwerpunktes des Massensystems. Die Impulserhaltung führt deswegen zur gleichmässigen Bewegung des Schwerpunktes und suggeriert eine geeignete Linearkombination von Ortsvektoren, die beim Zweikörperproblem zu einer enormen Vereinfachung des Problems geführt hat. Die Bedingung $\sum_i \frac{\partial L}{\partial \vec{r}_i}=0$ ist zur Aussage $\sum_i \vec{K}_i=0$ äquivalent, d.h. die Summe aller Kräfte ist null. Die Impulserhaltung gilt koordinatenweise, d.h. die drei Komponenten des Gesamptimpulses sind getrennt erhalten. Sollte in einer gegebenen Richtung ein homogenes externes Kraftfeld $\vec F$ herrschen, dann sind nur solche Komponenten erhalten, die zum Kraftfeld senkrecht sind. $\vec X$ bewegt sich mit der BG $(\sum_i m_i) \vec X = \vec F$. Die Impulserhaltung hat, wie die Energieerhaltung, eine weitere Anwendung in der Physik: sie dient dem Zweck, Aussagen über gewisse Vorgänge zu machen, ohne eigentlich die BG lösen zu müssen - wenn nur die Lage zu bestimmten Zeiten gesucht ist. Zu diesem Punkt merke man, dass der Gesamtimpuls immer die Summe aller Impulse ist, unabhängeig von der Existenz oder der Art der Wechselwirkung. Ein besonders illustratives Beipiel der Impulserhaltung ist die Herleitung der Raketengleichung. Eine Rakete enthält einen Vorrat von Atomen, von denen jedes die Masse $dm$ besitze, und eine Maschine, die die Atome relativ zur Rakete beschleunigt und mit der Geschwindigkeit $u$ relativ zur Rakete hinten ausstösst.

Abbildung 3.2: Schema einer Rakete
\includegraphics [width=5cm]{f32.eps}

Beim Start sei die Rakete in Ruhestellung. Die Startmasse der Rakete sei $M_0$. Wir betrachten eine horizontal zur Erde gerichtete Rakete. Da keine äusseren Kräfte wirken, bleibt der Gesamtimpuls des Systems ``Rakete + ausgestossene Atome'' konstant. Diese Kostante ist 0, da die Rakete beim Start in Ruhe ist. Unser Bezugssystem befindet sich dort, wo die Rakete zur Zeit $t=0$ in Ruhe ist (und wo der Schwerpunkt bleibt).
  1. Schritt:

    Abbildung 3.3: 1. Schritt
    \includegraphics [width=5cm]{f33l.eps} \includegraphics [width=5cm]{f33r.eps}

    Abbildung 3.4: 2. Schritt
    \includegraphics [width=5cm]{f34l.eps} \includegraphics [width=5cm]{f34r.eps}

    Wir benutzen die Konstanz des Gesamtimpulses :

    \begin{displaymath}
\begin{array}{c}
0=\vec{P}\textrm{ vor dem ersten Austoss}
=...
...en Austoss}\\
=-\Delta M (u-v_1)+(M_0-\Delta M)v_1
\end{array}\end{displaymath}

    Aufgelöst:

    \begin{displaymath}
v_1=\frac{\Delta M}{M_0}u
\end{displaymath}

  2. Schritt

    \begin{displaymath}
(M_0-\Delta M)v_1=-\Delta M(u-v_2)+(M_0-2\Delta M)v_2
\end{displaymath}

    Aufgelöst:

    \begin{displaymath}
v_2=v_1+\frac{\Delta M u}{M_0-\Delta M}
\end{displaymath}

  3. n-ter Schritt


    \begin{displaymath}
v_n=v_{n-1}+\frac{\Delta M u}{M_0-(n-1)\Delta M}
\end{displaymath}

Der Geschwindigkeitszuwachs von Schritt zu Schritt beträgt


\begin{displaymath}
\Delta v= v_n-v_{n-1}=\frac{\Delta M u}{M_0-(n-1)\Delta M}\approx\frac{\Delta M u}{M_0-n\Delta M}
\end{displaymath}

Die Anzahl $n$ der ausgestossenen Atome ist so gross, dass man $(n-1)$ durch $n$ ersetzen kann, ohne viel falsch zu machen.

Wir berücksichtigen jetzt, dass in einer Zeit $dt$ ein Atom ausgestossen wird, sodass - zur Zeit $t$ - $n=t/dt$ Atome ausgestossen werden. Die ausgestossene Masse ist $n\cdot dm = dm\cdot t/dt$. $dm/dt$ ist eine Eigenschaft der Maschine, die in der Rakete steckt: Nennen wir sie $dm/dt=C$. Obige Gleichung wird dann zu


\begin{displaymath}
d v=\frac{C\cdot u\cdot dt}{M_0-ct}\Leftrightarrow\dot{v}=\frac{C\cdot u}{M_0-ct}
\end{displaymath}

Die Summe des Geschwindigkeitszuwachses $dv$ vom Start $(t=0)$ bis zur Zeit $t$, ergibt die Geschwindigkeit der Rakete zur Zeit $t$:


\begin{displaymath}
v(t')=\int_0^{t'} dv=\int_0^{t'} \frac{C\cdot u\cdot dt}{M_0-c\cdot t}=
-u\cdot ln(M_0-C\cdot t)\bigg\arrowvert_0^{t'}
\end{displaymath}

Nun ist $M_0-C\cdot t$ gerade die Masse der Rakete zur Zeit $t$, so dass man schreiben kann


\begin{displaymath}
v(t)=u\cdot \ln\frac{M_0}{M_t}
\end{displaymath}

Typische Werte für die Ausstossgeschwindigkeit liegen bei 4000 m/sec für ein Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffgemisch bei einer Gastemperatur von 4000$^0$C, sodass eine Rakete beträchtliche Geschwindigkeiten erreichen kann, wenn z.B. der Brennstoffvorrat etwa die Hälfte der Gesamtmasse der Rakete beträgt.

Die Beschleunigung der Rakete ist $\dot v= (C\cdot u)/(M_0-C\cdot t)$. Die Beschleunigung kann der Schubkraft des Raketenantriebes zugeschrieben werden. Die Schubkraft ist


\begin{displaymath}
K_{Schub}=(M_0-C\cdot t)\frac{dv}{dt}=C\cdot u
\end{displaymath}

Die Schubkraft ist das Produkt der Geschwindigkeit, mit der die Atome ausgestossen werden, mal der Anzahl der Atome, die pro Zeiteinheit ausgestossen werden.
Dieses Beispiel zeigt, dass wieder einmal ein Erhaltungssatz zum Aufbau einer DG benutzt wurde.



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Kraeutler Vincent
2000-05-30