next up previous contents
Nächste Seite: Die lineare schwingende Kette Aufwärts: Schwingungen Vorherige Seite: Eindimensionale harmonische Schwingung   Inhalt


Erzwungene Schwingung

Wir gehen nun zur Betrachtung von Schwingungen eines Systems über, auf das ein äusseres veränderliches Feld wirkt. Derartige Schwingungen heissen erzwungene Schwingungen im Gegensatz zu den im vorherigen Paragraphen untersuchten freien Schwingungen. Bei der Anwesenheit eines äusseren Feldes besitzt das System neben der eigenen potentiellen Energie $1/2 k x^2$ ausserdem die potentielle Energie $U(x,t)$, die von der Wirkung des äusseren Feldes herrührt. Wenn wir dieses Zusatzglied in einer Potenzreihe von der kleinen Grösse $x$ entwickeln, erhalten wir

\begin{displaymath}
U(x,t)=U(0,t)+x\frac{\partial U}{\partial x}\Big \vert _{x=0}
\end{displaymath}

Das erste Glied hängt nur von der Zeit ab und kommt bei der Aufstellung der BG nicht vor. Im zweiten Glied ist $-\frac{\partial U}{\partial x}\Big \vert _{x=0}$ die äussere Kraft, die auf das System in der Gleichgewichtslage wirkt und eine vorgegebene Funktion der Zeit ist. Wir bezeichnen sie mit $F(t)$. Damit erscheint in der potentiellen Energie das Glied $-x\cdot F(t)$, so dass die Lagrange Funktion des Systems lautet

\begin{displaymath}
L(x,\dot{x},t)=\frac{m}{2}\dot{x}^2-\frac{k}{2}x^2+x\cdot F(t)
\end{displaymath}

Die entsprechende BG ist

\begin{displaymath}
\ddot{x} +\omega^2\cdot x=\frac{1}{m}F(t)
\end{displaymath}

wo wir wiederum die Frequenz $\omega$ der freien Schwingung eingeführt haben. Wir betrachten nun einen Fall von besonderem Interesse, bei dem die äussere Kraft ebenfalls eine einfache periodische Funktion der Zeit mit der Frequenz $\gamma $ ist: $F(t)=f\cdot \cos \gamma t$ darstellt. Um eine spezielle Lösung zu suchen, führen wir den Ansatz $x_{sp} = b \cos \gamma t$ durch, mit dem gleichen periodischen Faktor. Einsetzen in die DG ergibt die charakteristische Gleichung

\begin{displaymath}
b\gamma^2 -b\omega^2 + \frac{f}{m}= 0
\end{displaymath}

deren Lösung $b = \frac{f}{m(\omega^2 -\gamma^2)}$ ist. Die allgemeine Lösung der inhom. DG ist

\begin{displaymath}
A\cos (\omega t +\varphi)+\frac{f}{m(\omega^2 -\gamma^2)}\cos \gamma t
\end{displaymath}

Die freien Konstanten $A$ und $\varphi $ bestimmen sich aus den Anfangsbedingungen. Das bedeutet, dass das System unter der Wirkung äusserer periodischer Kräfte eine Bewegung ausführt, die sich aus zwei Schwingungen zusammensetzt. Aus einer Schwingung mit der Eigenfrequenz $\omega$ des Systems und aus einer Schwingung mit der Frequenz $\gamma $ der äusseren Kraft. Der Verlauf der Amplitude der speziellen Lösung ist in der folgenden Skizze dargestellt:

\includegraphics [width=5cm]{f41.eps}

Die negative Amplitude für $\gamma \geq \omega$ kann man auch als positive Amplitude einer um $-\pi$ verschobenen $\cos \gamma t$ darstellen, d.h. die Lösung lässt sich als

\begin{eqnarray*}
A\cos (\omega t +\varphi)+\vert \frac{f}{m(\omega^2 -\gamma^2...
...omega^2 -\gamma^2)}\vert \cos (\gamma t - \pi), \gamma>\omega \
\end{eqnarray*}



darstellen.

Die gegebene Lösung gilt nicht im Fall der sog. Resonanz, d.h. wenn die Frequenz der äusseren Kraft mit der Eigenfrequenz des Systems zusammenfällt. Um die allgemeine Lösung der BG in diesem Falle zu finden, versuchen wir eine spezielle Lösung mit dem Ansatz

\begin{displaymath}
x_{sp}=b(\cos\gamma t -\cos\omega t)
\end{displaymath}

zu finden. Die Motivation für diesen Ansatz ist die folgende: In der vorigen Lösung strebte der Denominator für $\gamma \rightarrow \omega$ nach Null. Damit diese Divergenz auf irgendeine Weise kompensiert wird und eine wohldefinierte Lösung existiert, müssen wir dafür sorgen, dass auch der Numerator für $\gamma \rightarrow \omega$ nach $0$ strebt. Einsetzen in der DG (zuerst nehmen wir formell $\gamma \neq \omega$) ergibt

\begin{eqnarray*}
-b\gamma^2\cos\gamma t +b\omega^2 \cos \omega t + b\omega^2(\c...
...\\
=\frac{f}{m}\cos\gamma t\\
b=\frac{f}{m(\omega^2-\gamma^2)}
\end{eqnarray*}



Die Funktion, die die Lösung im Fall der Resonanz darstellt, finden wir als Resultat von

\begin{displaymath}
\lim_{\gamma \rightarrow \omega}[\frac{f}{m(\omega^2-\gamma^...
...ma t -\cos\omega t)]
\stackrel{\gamma =\omega +\varepsilon}{=}
\end{displaymath}


\begin{displaymath}
=\lim_{\varepsilon \rightarrow 0}
[\frac{f}{m(2\omega+\varepsilon)(-\varepsilon)}\cos((\omega +\varepsilon) t) -\cos\omega t]
\end{displaymath}

Durch Benutzung der triginometrischen Identität $\cos (\alpha +\beta)=\cos\alpha \cos\beta +\sin\alpha \sin\beta$ erhalten wir

\begin{eqnarray*}
\cos((\omega +\varepsilon) t) -\cos\omega t & =
\cos\omega t ...
...a t \cdot 1 -\sin(\omega t)\cdot
\varepsilon t -\cos \omega t\\
\end{eqnarray*}



und

\begin{displaymath}
\lim_{\varepsilon \rightarrow 0}
[\frac{f}{m(2\omega+\vareps...
...framebox [1.2\width]{$\frac{f}{2m\omega}t\cdot \sin\omega t$}}
\end{displaymath}

Die allgemeine Lösung lautet dann

\begin{displaymath}
x(t)=A\cdot\cos (\omega t +\varphi)+\frac{f}{2m\omega}t\cdot \sin \omega t
\end{displaymath}

Im Resonanzfall, steigt die Schwingungsamplitude linear mit der Zeit (solange sie nicht so gross wird, dass die gesamte dargelegte Theorie nicht mehr anwendbar ist!).

Abbildung 4.1: Verlauf der Schwingung im Resonanzfall
\includegraphics [width=5cm]{f42.eps}

Die Erscheinung der Resonanz hat viele Anwendungen in der Physik und überhaupt in den Naturwissenschaften. Auf einige davon werden wir näher eingehen. Die Resonanz kann aber auch sehr gefährlich werden, z.B. für Maschinenteile wie Turbinenwellen, wenn die Eigenfrequenz der Welle gleich ihrer Umlauffrequenz wird. Beim Anfahren von Gasturbinen, bei denen die Betriebsfrequenz oberhalb der Eigenfrequenz liegt, muss deshalb möglichst schnell über die Resonanzstelle hinweg gefahren werden.

Neben der Amplitude ist auch die von der äusseren Kraft zugeführte Energie (oder Arbeit) eine Grösse, die oft den Resonanzprozess charakterisiert. Die Energie eines Systems, das erzwungene Schwingungen ausführt, bleibt nämlich nicht erhalten. Diese Tatsache lässt sich direkt aus der in der Lagrange-Funktion vorkommenden expliziten Zeitabhängigkeit herleiten. Nach unseren Definitionen ist die in einer Periode $\tau = 2 \pi /\omega $ zugeführten Energie


\begin{displaymath}
A^\swarrow = \int_{x(0)}^{x(t)}F^\swarrow dx=\int_{0}^{\tau}F^\swarrow \frac{dx}{dt}dt
\end{displaymath}

Wir unterscheiden zwischen zwei Fällen: $\gamma \neq \omega$ und $\gamma =\omega$. Im ersten Fall ist die zugefügte Energie (oder, anders ausgedrückt, die vom System absorbierte Energie) null:

\begin{eqnarray*}
-\int_{0}^{\tau}f\cdot cos \gamma t \frac{f}{m(\omega^2-\gamma...
...n \gamma t=\\
=\overline{cos\gamma t \cdot sin \gamma t}^t=0\ !
\end{eqnarray*}



Nur im Resonanzfall ist das System imstande, Energie zu absorbieren, nämlich


\begin{displaymath}
\int_{0}^{\tau}\frac{f^2}{2m\omega}\omega\cdot cos \omega t ...
... t\ dt=
\frac{f^2}{2m}\int_{0}^{\tau}t\cdot cos^2\omega t\ dt=
\end{displaymath}


\begin{displaymath}
=\frac{f^2}{2m}(\frac{\tau^2}{2}-\frac{\tau^2}{4})=\frac{f^2}{8m}\tau^2
\end{displaymath}

Diese Möglichkeit, nur bei der Resonanz einem System Energie zuzuführen, ist die Grundlage für die Absorption von Licht durch Materie, und findet zum Beispiel in der Spektroskopie eine wichtige Anwendung ( die $\tau^2$-Abhängigkeit der absorbierten Energie wird in der Tat nicht beobachtet: Man beobachtet eher eine $\tau$-Abhängigkeit, die dazu führt, dass die absorbierte Energie pro Zeiteinheit konstant ist. Wir werden sehen, wie die Einführung der Dämpfung zur nötigen Korrektur führt.)


Bis jetzt haben wir angenommen, dass die Bewegung der Masse im leeren Raum stattfindet, oder dass der Einfluss des Mediums auf die Bewegung vernachlässigbar ist. In Wirklichkeit setzt das Medium der Bewegung des Körpers einen Widerstand entgegen, der sie zu verlangsamen sucht. Die Energie des sich bewegenden Körpers geht hierbei letzen Endes in Wärme (oder Strahlung) über - man sagt, sie dissipiert. Der Bewegungsprozess ist unter diesen Bedingungen schon kein rein mechanischer Vorgang mehr. Beispielweise kann man im Allgemeinen nicht mehr behaupten, dass die Beschleunigung eines bewegten Körpers nur von seinen Koordinaten und von der Geschwindigkeit zu einem gegebenen Zeitpunkt abhängt; d.h, BG im Sinne, wie sie in der Mechanik vorkommen, existieren nicht. Die Bewegung hängt auch von anderen Parametern ab, zum Beispiel von der Temperatur sowohl des Körpers als auch der des Mediums. Oft simuliert man solche dissipativen Vorgänge, indem man eine Reibungskraft in die BG einführt. Eine solche Reibungskraft nimmt für den hier betrachteten Fall der eindimensionalen Schwingung die Form $f_D=-D\cdot\dot{x}$, $D > 0$ an. Das Minuszeichen bedeutet, dass die Kraft der Bewegung entgegenwirkt. Wenn wir diese Kraft auf der rechten Seite der BG hinzufügen, erhalten wir (zuerst sei $F=0$) $m\ddot{x}=-kx-D\dot{x}$. Wir teilen durch $m$ und führen die Bezeichnungen $\frac{k}{m}=\omega^2$, $\frac{D}{m}=2\lambda$ ein. Dabei ist $\omega$ die Frequenz der freien Schwingungen des Systems ohne Reibung. Die Grösse $2\lambda$ heisst Dämpfungskonstante. Auf diese Weise erhalten wir die Gleichung

\begin{displaymath}
\ddot{x}+2\lambda \dot{x}+\omega^2x=0
\end{displaymath}

Nach den allgemeinen Regeln für die Lösung linearer DG mit konstanten Koeffizienten setzen wir den Ansatz $x = e^{r\cdot t}$ und finden die charakteristische Gleichung $r^2+2\lambda r+\omega^2=0$ mit den Lösungen $r_{1,2}=-\lambda \pm\sqrt{\lambda^2 - \omega ^2}$. Die allgemeine Lösung der Gleichung ist

\begin{displaymath}
x=c_1e^{r_1t}+c_2e^{r_2t}
\end{displaymath}

Hier müssen zwei Fälle unterschieden werden: Für $\lambda <\omega$ erhalten wir zwei komplex konjugierte Werte für $r_{1,2}$:

\begin{displaymath}
r_{1,2}=-\lambda \pm i\sqrt{\vert\lambda^2 - \omega ^2\vert}
\end{displaymath}

Die allgemeine Lösung der DG ist

\begin{displaymath}
x(t)=A e^{-\lambda t}\cos (\omega_Dt+\varphi)
\end{displaymath}

$\omega_D\doteq \sqrt{\vert\lambda^2 - \omega ^2\vert}$. Die durch diese Formel dargestellte Bewegung ist eine sog. gedämpfte Schwingung. Man kann sie als harmonische Schwingung mit exponentiell abnehmender Amplitude ansehen. Die Schwingungsfrequenz ist kleiner als die Frequenz der freien Schwingung ohne Reibung. Wir nehmen jetzt an, dass $\lambda > \omega$ ist. Dann sind beide Werte von $r$ reell und negativ. Die allgemeine Lösung lautet hier

\begin{displaymath}
x=c_1e^{-(\lambda-\sqrt{\lambda^2 - \omega ^2})t}+c_2e^{-(\lambda+\sqrt{\lambda^2 - \omega ^2})t}
\end{displaymath}

Die Bewegung besteht aus einer asymptotischen (bei $t\rightarrow\infty$) Annäherung an die Gleichgewichtslage ohne Schwingung. Diese Bewegung heisst aperiodisch. Im Automobilbau ist das die Aufgabe der Stossdämpfer, die durch starke Bodenunebenheiten entstehenden unangenehmen und auch gefährlichen Federschwingungen der Karrosserie sofern als möglich aperiodisch zu dämpfen.

Dissipative Vorgänge spielen natürlich auch bei erzwungenen Schwingungen eine grosse Rolle. Sie modifizieren den Verlauf des Resonanzvorganges, indem sie auch entfernt von der Resonanz zur Absorption der Energie führen können. Dabei bremsen sie das Wachstum der Amplitude im Resonanzfall zu einem endlichen, stationären Wert. Die DG lautet

\begin{displaymath}
\ddot{x}+2\lambda\dot{x}+\omega^2x=\frac{f}{m}\cos\gamma t
\end{displaymath}

Die allgemeine Lösung ist dann (ohne Herleitung)

\begin{displaymath}
x(t)= A\cdot e^{-\lambda t}\cos (\omega_Dt+\varphi)+b\cdot\cos(\gamma t +\delta)
\end{displaymath}

mit $b=\frac{f}{m\sqrt{(\omega^2-\gamma^2)+4\lambda^2\gamma^2}}$ und $\tan\delta=\frac{2\lambda \gamma}{\gamma^2-\omega^2}$. Der erste Summand nimmt mit der Zeit exponentiell ab, sodass nach genügend langer Zeit nur noch der ''erzwungene'' Term $b\cdot\cos(\gamma t +\delta)$ übrigbleibt.

Abbildung 4.2: Die Phase $\delta $ und die Amplitude $b$ als Funktion von $\gamma $ für zwei verschiedene Parameter $\lambda $
\includegraphics [width=5cm]{f43.eps} \includegraphics [width=5cm]{f44.eps}

Die Phase wechselt nicht sprunghaft von $0$ zu $-\pi$ wie beim Fall $\lambda= 0$. Der Wechsel findet in einem engen Frequenzbereich der Breite $2\lambda$ in der Umgebung von $\omega$ statt. Am besten schätzen wir die Wirkung der dissipativen Kraft, indem wir die absorbierte Energie im Fall $\lambda\neq 0$ betrachten. Die in einer Periode absorbierte Energie ist

\begin{eqnarray*}
A^\swarrow_{\lambda\neq 0}=-f\cdot b\cdot \gamma\int_{0}^{\tau...
...brace{\overline{\cos^2\gamma t}^{t}}_{\frac{1}{2}\tau}\sin\delta
\end{eqnarray*}




\begin{displaymath}
\Leftrightarrow A^\swarrow_{\lambda\neq 0}=\frac{f}{2}\cdot b\cdot\gamma\cdot\tau \vert\sin\delta\vert>0\ !
\end{displaymath}

Die entsprechende absorbierte Leistung ist

\begin{displaymath}
\frac{A^\swarrow}{\tau}=\frac{f}{2}\gamma b \vert\sin\delta\vert
\end{displaymath}

Abbildung 4.3: Absorbierte Leistung
\includegraphics [width=5cm]{f45.eps}

Im eingeschwungenen Zustand bleibt die Energie eines Systems, das erzwungene Schwingungen ausführt, unverändert. Das System absorbiert allerdings ununterbrochen Energie (aus der Quelle der äusseren Kraft), die infolge der Reibung dissipiert. Bei der Resonanzfrequenz ist die aufgenommene Leistung maximal, die scharfe Resonanzlinie bekommt eine endliche Breite. In der Technik führt man oft zur Charakterisierung der Schärfe einer Resonanzlinie den sog. Q-Faktor als $Q = Resonanzfrequenz /Breite\ der\ Resonanz\-kurve$ ein. Da Resonanzerscheinungen eine sehr wichtige Rolle in der Natur spielen und fast auf allen Gebieten der Physik vorkommen, wollen wir einige davon besprechen.


Beispiel 1: Elektrische Resonanzkreise Ein einfacher elektrischer Resonanzkreis (oder Schwingungskreis) besteht aus einer Serienschaltung einer Kapazität $C$, einer Induktivität $L$ und eines Widerstandes $R$, hier abgebildet.

\includegraphics [width=5cm]{f46.eps}

Die veränderliche Grösse im elektrischen Schwingkreis ist die transportierte Ladung $q$ in Analogie zu $x$ bei der mechanischen harmonischen Schwingung. Die Schwingungsgleichung für obigen elektrischen Kreis lautet

\begin{displaymath}
\ddot{q}+\frac{R}{L}\cdot\dot{q}\cdot\frac{1}{C\cdot L}\cdot q-\frac{1}{L}\cdot V_0\cdot\cos\omega t=0
\end{displaymath}

Die Halbwertsbreite der Resonanzkurve beträgt in diesem Fall $R/L$. Vergleichen wir die beiden Differentialgleichungen für $x$ und $q$, so können wir eine rein formale Beziehung entsprechender Grössen finden, die in dieser Tabelle aufgezählt sind.



Charakteristika Mech. System Elektr. System
Unabhängige Veränderliche t t
Abhängige Variable x q
Trägheit m L
Dämpfung $2\lambda$ $\frac{R}{L}$
Resonanzfrequenz (Eigenfreq.) $\omega_0=\sqrt{\frac{k}{m}}$ $\omega_0=\sqrt{\frac{1}{L\cdot C}}$
Schwingungsdauer (Periode) $\tau=2\pi\sqrt{\frac{m}{k}}$ $\tau=2\pi\sqrt{L\cdot C}$
Q-Faktor $\frac{\omega_0}{2\lambda}$ $\frac{\omega_0\cdot L}{R}$


Beispiel 2: Spektroskopien Man kann die Wechselwirkung zwischen einem System mit atomarer Ausdehnung und elektromagnetischer Strahlung durch eine klassische erzwungene Schwingung simulieren, indem man die von aussen angelegte Störkraft mit dem elektrischen Feld der Strahlung identifiziert. Systeme mit atomarer Ausdehnung sind durch diskrete Energiewerte charakterisiert, d.h. dürfen nur bestimmte Energiewerte annehmen. Die ''Eigenfrequenz'' $\omega$ stellt eine charakteristische Frequenz des Systems dar, und zwar ist sie ein Mass für den Abstand zwischen zwei Eenrgieniveaus, $\omega\doteq (E_1-E_0)/\hbar$, wobei $\hbar =\frac{h}{2\pi}=1.054\cdot 10^{-34}kg\cdot m^2/s$ das Plank'sche Wirkungsquantum ist. Dieses Modell führt zum Phänomen, dass nur bei der Resonanzfrequenz das System vom elektromagnetischen Energiefeld absorbieren kann. Diese Absorption erfolgt durch den Übergang des Systems vom niedrigen Energieniveau $E_0$ zum angeregten Zustand $E_1$. Durch diese Resonanzerscheinung entsteht die Möglichkeit, die Energieniveaus eines Systems zu bestimmen: das ist die Grundlage der Spektroskopie, da es ermöglicht, verschiedene Systeme anhand deren Absorpsionsspektren zu erkennen. Mögliche angeregte Zustände eines Moleküls sind Schwingungen, für welche $\omega$ mit der klassischen Schwingungsfrequenz übereinstimmt. Schwingungen führen zur Absorption im Infrarotbereich: man sprich von Infrarotspektroskopie. Ein typisches Absorptionsspektrum verursacht durch Schwingungen, ist in der Figur aufgezeichnet.

\includegraphics [width=12cm]{f47.eps}

Die transmittierte Lichtintensität als Funktion der Wellenlänge des einfallendes Lichts zeigt ein deutliches Transmissionsminimum, entsprechend einer Energieaufnahme der Moleküle, also einer Anregung von Schwingungen. Solche Minima sind charakteristisch für die betreffende Substanz, und der Chemiker kann daraus die Natur und Art der zu untersuchenden Probe bestimmen. Absorption im Ultravioletten deutet auf elektronische Anregungen hin, wie der übergang zwischen zwei Energieniveaus im Wasserstoffatom. Die ''Natriumflamme'' ist ein typisches Beispiel einer elektronischen Anregung. Das Na-Atom besitzt in seiner elektonischen Struktur zwei benachbarte Niveaus, deren Abstand gelbem Licht entspricht. Auf ein Drahtnetz, das in der Flamme eines Bunsenbrenners steht, wird Kochsalz gestreut, und die Flamme leuchtet gelb, entsprechend der Wellenlänge des gelben Na-Lichtes 5890 $\AA$. Durch das Erhitzen werden einige Atome in einen angeregten Zustand versetzt. Die angeregten Atome bleiben jedoch nur sehr kurze Zeit $ \tau \approx 10^{-8}$sec in diesem angeregten Zustand und fallen wieder auf ihr Ausgangsniveau zurück. Dabei emittieren sie Licht mit der charakteristischen Na-Wellenlänge. Beleuchten wir die Flamme mit einer Natrium-Spektrallampe, die genau diese Wellenlänge emittiert, so beobachten wir an der bestrahlten Stelle der Flamme auf einem dahinter aufgestellten Schirm schwarze Zonen.

\includegraphics [width=12cm]{f48.eps}

Durch das Einstrahlen der Resonanzfrequenz $\omega$ werden die Atome energetisch in den angeregten Zustand versetzt. Ein Teil des einfallenden Lichts wird für diesen Prozess benutzt, und verschwindet. Das durch spontane Emission reemittierte Licht geht in jeden Raumwinkel und fehlt daher zu einem hohen Prozentsatz in der Durchstrahlrichtung: ein Schatten ensteht. Aufgrund der endlichen Lebensdauer, besitzen die Niveaus eine gewisse Breite $\Delta E = \hbar/\tau$: auch benachbarte Frequenzen können am Resonanzprozess teilnehmen. In der Tabelle sind die charakteristischen Absorptionsbereiche, mit den entsprechenden Anregungen, zusammengefasst.


Spektralgebiet Art der Anregung
Ultra-violett (UV) Schwingungen der Valenzelektronen
Infrarot (IR) Molekülvibrationen
Mikrowellen Molekülrotationen


Die Absorptionsmaxima im UV einiger typischer organischer Substanzen mit Mehrfachbindungen sind im Folgenden aufgezählt.


Verbindung Wellenlänge des Absorptionsmaximums
$H_2C=CH_2$ 1625Å
$HC\equiv CH$ 1775Å
$HC\equiv N$ 1750Å
$(CH_3)_2C=O$ 1870Å


Resonanzphänomene beobachtet man auch in der Kernspektroskopie. Dabei tritt eine besondere Schwierigkeit auf: bei der Emission eines $\gamma $-Quants erfährt der Kern aus Impulserhaltungsgründen einen Rückstoss. Einen Rückstoss erfahren auch Atome, dieser ist allerdings vernachlässigbar klein. Durch diesen Rückstoss besitzt das emittierte Quant eine um die Rückstossenergie verringerte Energie. Da der Impuls eines Quants $\hbar\omega$: $p=\hbar\omega/c$ ist, muss der gleiche Impuls vom Kern als Rückstoss aufgenommen werden. Die Rückstossenergie eines Kerns der Masse $M$ beträgt deshalb:

\begin{displaymath}
E_R=\frac{p^2}{2M}=\frac{\hbar^2\omega^2}{2Mc^2}=\frac{E_\gamma^2}{2Mc^2}
\end{displaymath}

Abbildung 4.4: Energieschema beim Mössbauereffekt (rechts)
\includegraphics [width=5cm]{f49.eps} \includegraphics [width=5cm]{f410.eps}

Betrachten wir zwei benachbarte Kernzustände, deren Energiedifferenz $E$ gegeben sei. Bei der Emission eines $\gamma $-Quants geht der Kern vom Zustand II in den Zustand I über. Die Energie des $\gamma $-Quants ist gleich der Energiedifferenz der beiden Zustände $E$, vermindert um die Rückstossenergie $E_R$, also $\hbar\omega=E-E_R$. Da die Kernniveaus ausserordentlich scharf sind, viel schärfer als atomare Niveaus, reicht diese $\gamma $-Energie $\hbar\omega$ nicht mehr aus, um einen anderen Kern vom Niveau I auf das Niveau II anzuregen; oder mit anderen Worten: man kann einen Kern nicht als Photonenquelle für die Spektroskopie anderer ähnlicher Kerne benutzen.
Dieses Bild ist nicht ganz korrekt: der Münchner Physiker Rudolf Mössbauer fand einen beträchtlichen Teil an resonanter Absorption bei Kernen (für diese Entdeckung erhielt er 1961 den Nobelpreis). Dieser Effekt wurde von Mössbauer folgendermassen erklärt. Betrachten wir die Gleichung für $E_R$, so erkennen wir die Abhängigkeit der Rückstossenergie $E_R$ von der Masse des Kerns $M$, der den Rückstoss aufnimmt. Sind die $\gamma $-emittierenden Kerne sowie die absorbierenden Kerne in ein Kristallgitter eingebaut, so wird der Rückstoss bei Emission nicht von einem einzelnen Kern der Masse $M$, sondern mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit von dem umgebenden Kristallgitter als ganzes aufgenommen. In der Gleichung für $E_R$ müssen wir daher in bestimmten Fällen die Masse $M$ durch eine sehr grosse Masse ersetzen, dabei wird die Rückstossenergie $E_R$ beliebig klein, d.h. die Energie des $\gamma $-Quants wird wieder gleich der Differenz der Kenergiezustände. Diese $\gamma $-Strahlung kann von einem anderen Kern resonant absorbiert werden.

\includegraphics [angle=-2,width=12cm]{f411.eps}

Eines der Isotope, das heutzutage am häufigsten für Mössbauereffektmessungen verwendet wird, ist $Fe^{57}$ mit der 14,4 keV $\gamma $-Linie. Die Linienbreite ist von der Grössenordnung $5 \cdot 10^{-9}$ eV. Damit wird der Q-Faktor von der Grössenordnung $10^{12}$. Darin liegt die grosse Bedeutung des Mössbauereffektes. Man hat ein äusserst empfindliches Werkzeug zur Hand, um z.B. relativistische Effekte, Magnetfelder, Verschiebungen im Kristallgitter usw. zu messen.

Mössbauer selbst hat diesen Effekt der rückstossfreien Kern-Resonanzabsorption zuerst an Iridium 191 gefunden (Z. f. Physik 151, 124, 1958). Es sind heutzutage mehr als 80 Isotope bekannt, die für den Mössbauereffekt geeignet sind. Stichwortartig seien in folgender Tabelle einige Beispiele von Anwendungen des Mössbauereffektes aufgezählt.

Die wohl grösste Bedeutung hat der Mössbauereffekt für die Aufklärung der Strukturen fester Körper.

Gebiet Anwendung
Relativität Frequenzverschiebung eines Lichtquants
im Gravitationsfeld
Kernphysik Bestimmung magnetischer Momente von
angeregten Zuständen
Kernphysik Quadrupoleffekte
Kernphysik Bestimmung von Kernradien
Festkörperphysik Elektrischer Feldgradient am Kernort
Festkörperphysik Messung von inneren Magnetfeldern in Kristallen
Festkörperphysik Magnetische Kristallstruktur
Festkörperphysik Strahlungsschäden
Chemie Isomerieveschiebung
Chemie Hüllenordnungen nach Kernprozessen
Chemie Strukturaufklärung komplizierter Moleküle



\includegraphics [angle=-2,width=12cm]{f412.eps}

\includegraphics [width=12cm]{f413.eps}

Wir schliessen mit der Illustration von Resonanzen in der Teilchenphysik. Schiesst man z.B. Neutronen auf Iridiumkerne oder $\pi$-Mesonen auf Protonen, so können für sehr kurze Zeiten sog. Resonanzen entstehen, kurzlebige Kombinationsteilchen, die kurz nach ihrer Bildung zerfallen. Das Auftreten einer Resonanz äussert sich in der Abhängigkeit der Wahrscheinlichkeit $\sigma$ für eine bestimmte Reaktion von der Energie: Aus der Breite der Resonanzabsorption, welche gleich $\hbar/\tau$ ist, liest man die Lebensdauer $\tau$ des Kombinationsteilchens ab. Das zeigt, dass Resonanzen auch in der Kern-und Teilchenphysik von Bedeutung sind: neue Teilchen zeigen sich oft nur als Resonanz in einem Streuexperiment.
next up previous contents
Nächste Seite: Die lineare schwingende Kette Aufwärts: Schwingungen Vorherige Seite: Eindimensionale harmonische Schwingung   Inhalt
Kraeutler Vincent
2000-05-30