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Eindimensionale Probleme

Die Bewegung eines Massenpunktes mit einem Freiheitsgrad heisst eindimensionale Bewegung. Die Lagrange Funktion einer solchen Bewegung ist $L(x,\dot x) = \frac{1}{2}m \dot{x}^2 - U(x)$, die dazugehörige BG ist $m\ddot x = -\frac{dU}{dx}$. Diese Gleichung lässt sich folgendermassen integrieren:

\begin{eqnarray*}
\dot x \cdot m\ddot x & = & \dot x \cdot (-\frac{dU}{dx})\non...
...{dt} & = & 0\\
\frac{1}{2}m {\dot x}^2 + U(x) & \doteq & E\\
\end{eqnarray*}



Die so gewonnene Integrationskonstante $E$ ist ein Integral der Bewegung, da sie mit der Zeit unverändert bleibt. Diese Konstante heisst totale Energie der Bewegung. Sie kann dazu benutzt werden, um die Bewegungen zu klassifizieren. Die resultierende DG erster Ordnung lässt sich durch Trennung der Veränderlichen integrieren:

\begin{eqnarray*}
\frac{1}{2}m {\dot x}^2 + U(x) & = & E \nonumber\\
\frac{dx...
... & = & \sqrt{\frac{m}{2}}\int \frac{dx}{\sqrt{E-U(x)}} + Konst.
\end{eqnarray*}



Etwas Allgemeines lernen wir aus dieser Lösung: eine reelle (und somit physikalische) Lösung existiert nur im Gebiet, wo $E>U(x)$ ist. Diese Gebiete kann man direkt ablesen, wenn man die potentielle Energie graphisch darstellt.

Abbildung 2.1: Graphische Darstellung von $U(x)$
\includegraphics [width=6cm]{f21.eps}

Die Punkte, bei denen $E=U(x)$ ist, sind Umkehrpunkte der Bahn, da in ihnen die Geschwindigkeit $0$ wird, und sich somit das Vorzeichen ändern kann. Man unterscheidet zwischen endlichen Bahnen, die in einem endlichen Raumgebiet verlaufen können, und unendlichen Bahnen, wenn die Masse ins Unendliche laufen kann. Die eindimensionalen endlichen Bahnen sind Schwingungen: die Masse bewegt sich zwischen den Umkehrpunkten $x_1(E)$ und $x_2(E)$ periodisch, d.h. sie kehrt nach einer gewissen Zeit wieder zurück an einen bestimmten Punkt. Die Periode der Schwingung ist durch den Ausdruck

\begin{displaymath}
T(E) = 2\cdot \sqrt{\frac{m}{2}}\int_{x_1(E)}^{x_2(E)} \frac{dx}{\sqrt{E-U(x)}}
\end{displaymath}

gegeben. Beispiel.

Abbildung 2.2: verlauf der potentiellen Energie bei der chemische Bindung
\includegraphics [width=6cm]{f22.eps}

Nach unserer Vorstellung der chemischen Bindung, die zu einem Molekül führt, hat die potentielle Energie zwischen zwei Atomen folgende Abhängigkeit vom Abstand $x$ zwischen den Atomen, siehe Abb.2.2. Aber auch zwischen zwei Atomen in einem Festkörper herrscht ein Potential, das einen ähnlichen Verlauf hat. Dieser Verlauf führt zur chemischen Bindung beim Gleichgewichtsabstand $x_0$, bei dem U(x) ein Minimum hat. Dabei ist die Bindungsenergie $\vert U(x_0)\vert$. Warum bei $x_0$ die zwei Atome ''gebunden'' sind, kann man leicht erklären: sollte ein Atom versuchen, die Gleichgewichtslage zu verlassen, spürt es eine rücktreibende Kraft $-\frac{dU}{dx}$, die es wieder zu $x_0$ führt. Wenn $E = U(x_0)$ ist, ist das Molekül im Grundzustand. Angeregte Zustände, bei denen $E$ knapp oberhalb des Grundzustandswertes liegt, sind, wie wir gesagt haben, Schwingungen. Wir wollen jetzt die Periode solcher Schwingungen abschätzen. In der Nähe eines Minimums, lässt sich $U(x)$ folgenderweise approximieren:

\begin{displaymath}
U(x)\approx U(x_0) + (x-x_0)\cdot U'(x_0) + \frac{(x-x_0)^2}{2!}U''(x_0)
\end{displaymath}

Da $U(x)$ bei $x_0$ ein Minimum besitzt, ist $U'(x_0) = 0$. Das erste nicht verschwindende Glied ist das proportional zu $(x-x_0)^2$. Damit ist

\begin{displaymath}
U(x) = U(x_0)+(x-x_0)^2\frac{U''(x_0)}{2}
\end{displaymath}

Diese Näherung, die nur für kleine Schwingungen gilt, heisst harmonische Approximation. In dieser Näherung folgt $x_i(E)$ aus der Gleichung $U(x_0)+(x_i-x_0)^2\frac{U''(x_0)}{2} = E$, d.h. $x_i(E) = x_0 \pm \sqrt{\frac{2(E-U(x_0))}{U''(x_0)}}$. Eingesetzt in den Ausdruck für $T(E)$ ergibt dies

\begin{eqnarray*}
T(E) & = & 2\cdot \sqrt{\frac{m}{2}}\int_{x_1(E)}^{x_2(E)} \f...
...[arcsin(1)-arcsin(-1)]\\
& = & 2\pi \sqrt{\frac{m}{U''(x_0)}}
\end{eqnarray*}



Das Bemerkenswerte an diesem Resultat ist, dass $T$ von $E$ unabängig ist. Dies ist aber nur in der harmonischen Näherung gültig. Für die Schwingung definiert man eine Schwingungsfrequenz als $\omega \doteq \frac{2\pi}{T}$. In der harmonischen Näherung ist $\omega = \sqrt{\frac{U''}{m}}$. Die Frequenz ist das fundamentale Charakteristikum von Schwingungen; sie hängt nicht von den Anfangsbedingungen der Bewegung ab, sondern ist vollständig durch die mechanische Eigenschaft des Systems bestimmt. Im Wesentlichen gibt sie Auskunft über die Krümmung (zweite Ableitung!) der potentiellen Energie in der Nähe der Ruhelage. Dieses Resultat ist von entscheidender Bedeutung für die Spektroskopie von Molekülen und Festkörpern: durch die spektroskopische Bestimmung der Schwingungsfrequenz lässt sich etwas über die potentielle Energie der Moleküle aussagen!! In der harmonischen Näherung, lässt sich die Lösung der BG in einer geschlossenen algebraischen Form schreiben:

\begin{eqnarray*}
\omega t & = & \int \frac{dy}{\sqrt{2(E-U(x_0))/U''-y^2}} + Konst\\
& = & arcsin[\frac{y}{\sqrt{2(E-U(x_0))/U''}}] + Konst.
\end{eqnarray*}



oder

\begin{displaymath}
x(t) = x_0 + \sqrt{2(E-U(x_0))/U''}\cdot sin(\omega t - \phi)
\end{displaymath}

Der Koeffizient $\sqrt{2(E-U(x_0))/U''}\doteq A$ ist die maximale Amplitude der Schwingung um den Gleichgewichtsabstand, $\phi$ ist die Anfangsphase der Schwingung. Zwischen $E$ und $A$ ist die Beziehung $(E-U(x_0)) = \frac{1}{2} m \omega^2 A^2$. Die Energiekonstanz bedeutet, dass beim Durchgang durch die Gleichgewichtslage die totale Energiezunahme $E-U(x_0)$ als reine kinetische Energie im System steckt. In den Umkehrpunkten besteht nur potentielle Energie. Kinetische und potentielle Energien gehen dauernd ineinander über, wobei die Summe konstant bleibt.

Abbildung 2.3: Kin. und pot. Energie bei der harmonischen Schwingung
\includegraphics [width=8cm]{f23.eps}


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Kraeutler Vincent
2000-05-30