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Einige wichtige Kräfte der Natur

Die entscheidende Grösse der Mechanik ist die potentielle Energie. Man fragt sich nun, wie die potentielle Energie beschaffen ist, die in einem bestimmten System von Massenpunkten steckt, (Massen, aber auch Elektronen, Atome, Moleküle und Festkörper!). Diese Frage muss von Fall zu Fall beantwortet werden, und viele Fälle (die potentielle Energie zwischen Quarks, zum Beispiel) sind weit davon entfernt, gelöst zu sein.

Die bis jetzt benutzte Vorstellung über die potentielle Energie, die aus dem Galileo-Experiment hervorgeht, muss erweitert werden. Wir hatten nämlich nur mit einem $P$ zu tun. Das ist eine noch zu begründende Vereinfachung, denn in der Tat sind alle nicht trivialen Probleme der Physik - seien es die Planeten um die Sonne, sei es die chemische Bindung in Molekülen und Festkörpern - dadurch gekenngezeichnet, dass mehrere Massenpunkte beteiligt sind. Die potentielle Energie beschreibt die Wechselwirkung zwischen den Massenpunkten. Diese neue Definition sprengt natürlich unsere Definition der potentiellen Energie als die Grösse, die in kinetische Energie umgewandelt wird. Mit dieser Definition können wir jetzt allgemeiner vorgehen.

Für die Bestimmung von $E_{pot}$ gibt es leider kein allgemeines Prinzip. So hat zum Beispiel Newton das Gravitationsgesetz, das die Wechselwirkung zwischen zwei Massen beschreibt, aus der Analyse zahlreicher Beobachtungen der Mond- und Planetenbewegungen (von Tycho Brache und Kepler durchgeführt) erraten. Seit Newton wissen wir, dass


\begin{displaymath}
\vec{K}_{1\rightarrow 2}=-\gamma \frac{m_1 m_2}{\vert\vec{r_...
...ec{r_1}\vert},\
\gamma = 6.674\times 10^{11}\frac{Nm^2}{kg^2}
\end{displaymath}

ist, wobei $\gamma $ die Gravitationskonstante ist.

Die Grösse $\gamma $ kann man den astronomischen Beobachtungen nicht entnehmen, solange man die Masse nicht genau kennt. Das Gravitationsgesetz lässt sich jedoch mit Massen der Grössenordnung $kg$ im Laboratorium prüfen, und auf diese Weise bestimmen. Das Experiment zur Bestimmung von $\gamma $ wurde erstmals von Henry Cavendish im Jahre 1798 durchgeführt, mit einer Drehwaage.

Aus der Definition der Kraft lässt sich die potentielle Energie angeben:


\begin{displaymath}
\vec{K}=-\vec{\nabla}E_{pot}\Rightarrow E_{pot}=-\gamma \frac{m_1m_2}{r}+konst.\ \ ,
\end{displaymath}

wobei: $r=$ den Abstand zwischen $m_1$ und $m_2$ darstellt.

Die Konstante wird üblicherweise mit $0$ bezeichnet, da sie für die Bewegung unwesentlich ist (lediglich die Ableitung der potentiellen Energie ist wichtig, aber beim Ableiten verschwinden die Konstanten). Diese Wahl der Konstante entspricht einer potentiellen Energie, die im Unendlichen verschwindet.

Was hat dieser Ausdruck der potentiellen Energie mit der uns bekannten Formel $E_{pot}=m\cdot g\cdot z$ zu tun? Um diese Verbindung herzustellen, betrachten wir eine kleine Masse $m$ in der Nähe einer riesigen Kugel mit dem Radius $R$ und der riesigen Masse $M$. Dieses Gebilde soll einen Massenpunkt in der Nähe der Erde darstellen. Wir simulieren dieses System, indem wir die Erde auf einen Punkt schrumpfen lassen, und $m$ auf den Abstand $R+z$ legen, $z<< R$. Dann ist die potentielle Energie

\begin{eqnarray*}
E_{pot}=-\gamma\frac{Mm}{R+z}+Konst.=-\gamma\frac{Mm}{R(1+\fra...
...Konst. +\gamma\frac{M}{R^2}mz=m[\frac{m\gamma}{R^2}]z + Konst.'
\end{eqnarray*}



Bis auf eine Konstante ist dieses Resultat gleich dem uns bekannten Ausdruck, wobei wir hiermit auch einen experimentell prüfbaren Ausdruck für die Konstante $g$ erzielt haben.. Eine zweite wichtige Kraft ist die Coulombkraft, die Atome, Moleküle und Festkörper zusammenhält. Sie beschreibt die Wechselwirkung zwischen zwei Ladungen $e_1$ und $e_2$ nach dem Gesetz


\begin{displaymath}
K_{Coulomb}=\frac{1}{4\pi\varepsilon_0}\frac{e_1e_2}{\vert\v...
...t^2}
\frac{\vec{r_2}-\vec{r_1}}{\vert\vec{r_2}-\vec{r_1}\vert}
\end{displaymath}


\begin{displaymath}
\frac{1}{4\pi\varepsilon_0}=9\times10^9\frac{nm^2}{Cb},\ [e]=Cb
\end{displaymath}

Die Orientierung der Kraft (abstossend oder anziehend) hängt von der Ladung der Teilchen ab: Teilchen gleicher Ladung (z.B. zwei Elektronen) stossen sich ab, bei verschiedener Ladung (z.B. Proton und Elektron) ziehen sie sich an. Diese Kraft wurde erst später entdeckt (historisch), ist aber für uns noch relevanter als die Gravitation. Die Vielfalt, die durch diese Kraft in die Natur eingeführt wird, werden wir in der Vorlesung ''Physik II'' gründlich diskutieren. Glücklicherweise ist die Ortsabhängigkeit der beiden Kräfte genau die gleiche. Vom Standpunkt der Bewegungsgleichungen aus können wir aus dem Studium der Himmelsmechanik sehr nützliche Informationen (sogar übertragbare Resultate) für das Verständnis des Aufbaus von Atomen, Molekülen und Festkörpern gewinnen.
$^*$Bemerkungen.
  1. Wir betrachten $n$ Massenpunkte, die untereinander mit der potentiellen Energie $U(\vec{r_1},\dots ,\vec{r_n})$ wechselwirken. Die Lagrange Funktion lautet

    \begin{displaymath}
L(\vec{r_1,},\dots \vec{r_n},\dot{\vec{r_1}},\dots \dot{\ve...
...{1}{2} m_i \dot{\vec{r_i}}^2 - U(\vec{r_1},\dots ,\vec{r_n})
\end{displaymath}

    Die BG lauten $\frac{d}{dt}\frac{\partial L}{\partial \dot{\vec{r_i}}} - \frac{\partial L}{\partial \vec{r_i}} = 0$, $i=1,\dots n$.
  2. Wenn man für die Beschreibung der Bewegung nicht kartesische $x_i$, sondern verallgemeinerte Koordinaten $x_i = f_i(q_1,q_2,q_3)$ und $\dot x_i = \sum_{j}\frac{\partial f_i}{\partial q_j}\dot{q_j}$ benutzt, so muss man diese Transformationen in die Lagrange Funktion einsetzen, um die Lagrange in den Koordinaten $q_i$ zu bekommen. Damit nimmt die Lagrange Funktion die Form $L=\frac{1}{2}\sum_{i,j}a_{ij}(q)\dot {q_i}\dot {q_j} -U(q_1,\dots,q_3)$ an, d.h. die kinetische Energie kann von den Ortskoordinaten abhängen. Die Form der Lagrange Gleichungen bleibt allerdings invariant. Darin besteht einer der Vorteile des Lagrange Formalismus.
  3. Bei Problemen in der Mechanik kann es vorkommen, dass einige Koordinaten durch Nebenbedingungen eingeschränkt sind. Diese Nebenbedingungen sind durch Gleichungen zwischen den Koordinaten dargestellt. Damit wird die Zahl der Freiheitsgrade von $3n$ zu $f<3n$ beschränkt. Durch Einsetzen dieser Nebengleichungen in der Lagrange Funktion kann es passieren, dass nur die $f$ Koordinaten, die den tatsächlichen Freiheitsgraden entsprechen, vorkommen. Dann reichen die formulierten BG dieser Koordinaten für die komplette Beschreibung vollkommen aus, wobei die anderen ''leicht'' aus dem Problem eliminiert wurden.

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Kraeutler Vincent
2000-05-30