next up previous contents
Nächste Seite: Über dieses Dokument ... Aufwärts: Schwingungen Vorherige Seite: Die lineare schwingende Kette   Inhalt


Die Wellengleichung

Wir betrachten Phononen mit $q\approx 0$. Für solche Phononen ist die charakteristische Länge $2\pi/q$ über welche $u(n)$ variiert viel grösser als die Gitterkonstante. Wir können daher $n$ als kontinuierliche Variable $x$ bezeichnen und die BG für $u(x,t)$ folgendermassen aufstellen:

\begin{eqnarray*}
m\frac{\partial^2 u}{\partial t^2}& = & k[u(n-1,t)+ u(n+1,t)]...
...ial t^2}& = & \frac{k a^2}{m} \frac{\partial^2 u}{\partial x^2}
\end{eqnarray*}



Die Materialkonstante $\frac{k a^2}{m}$ wird als $c^2$ bezeichnet. Ihre Bedeutung wird bald klar. Diese Gleichung ist die eindimensionale Wellengleichung für die Auslenkung $u$ an der Stelle $x$ zur Zeit $t$. Die linear unabhängigen Eigenmoden $u(x,t) = A cos (qx-\omega t)$ und $A sin(qx-\omega t)$ sind spezielle Lösungen der Wellengleichung und sind ein spezielles Beispiel von Wellen: sie heissen harmonische Wellen. Die allgemeinste Form der linear unabhängigen Lösungen der eindimensionalen WG ist $u(x,t) = f(x \pm ct)$ (d' Alembertsche Lösungen) und die allgemeinste Lösung ist die lineare Superposition der beiden Grundlösungen. Man stelle sich eine lokale Störung $f(x,t=0)$ vor, die zum Beispiel ein Maximum bei $x_0$ besitzt. Eine solche Störung kann zum Beispiel eine Verschiebung der Teilchen eines Mediums aus ihrer Ruhelage (Phononen, Seilwellen, Wasseroberflächenwellen) oder einer Dichteschwankung bei elastischen Wellen, Schallwellen und Erdbebenwellen bedeuten. Es kann aber ein von elekromagnetischen Feldern (Licht) bedeuten, das sich durch ein plötzliches Ein- und Ausschalten eines Stromes gebildet hat.

Abbildung 4.9:
\includegraphics [width=7cm]{f419.eps}

Wenn diese Störung nach der Wellengleichung evolviert, dann ist die funktionelle Abhängigkeit zur Zeit $t$ $f(x-ct)$, siehe Figur, d.h. die Störung sieht genau gleich aus wie zur Zeit $t=0$ aber ist am Ort $x_t=ct$ zentriert: die Wellengleichung hat die Störung fortgepflanzt, und zwar mit Beibehaltung der Form. Die Materialkonstante $c$ ist die Fortpflanzungsgeschwindigkeit. Die Lösung $f(x+ct)$ beschreibt eine Welle, die sich nach rechts entlang der $x$-Achse fortpflanzt. Die Materialkonstanten, die $c$ bestimmen, hängen von der Wellenart ab. Bei Phononen ist die zweite Ableitung der potentiellen Energie massgebend (zusammen mit Masse und Gitterkonstante). Schreiben wir $\frac{k a^2}{m}$ als $\frac{k a}{m/a^3} \doteq D/\rho$, mit ($\rho$: Dichte) und $D$: Zugkraft) dann bekommen wir die Geschwindigkeit von Seilwellen. Bei Schallwellen ist $c = \sqrt{E/\rho}$, $E$: Elastizitätsmodul. Für Lichtwellen ist $c$ die Lichtgeschwindigkeit.


Beispiele von Wellen


Beispiel 1. Harmonische Welle.
Die harmonische Welle $f(x,t)=A\cdot cos (qx-\omega t)$ erfüllt die WG, wenn $ \omega = c q$. Diese ist die Dispersionsrelation, die wir für langwellige Phononen aus der exakten Lösung erwartet haben. Eine instantane Aufnahme einer harmonischen Welle erlaubt, die verschiedenen Parameter zu veranschaulichen:

Abbildung 4.10: Harmonische Welle zu einer festen Zeit (links) und an einem bestimmten Ort (rechts)
\includegraphics [width=5cm]{f420.eps} \includegraphics [width=5cm]{f421.eps}

$\lambda \doteq 2\pi /q$ ist der Abstand zweier Wellentäler (oder analoge Punkte der Welle) und heisst Wellenlänge. $q$ ist die Wellenzahl und gibt gerade die Zahl der Wellentäler pro Längeneinheit an. Man betrachte jetzt den zeitlichen Ablauf an einem festen Ort, Nach der Zeit $T$ wiederholt sich in $x$ dieselbe Phase der Welle, z.B. ein Wellental: $T$ ist die Periode der Welle. $\omega = 2\pi/T$ ist dann die Frequenz, mit welcher sich dieselbe Phase pro Zeiteinheit wiederholt. Es gilt: $\lambda = c T$.
Beispiel 2: Stehende Welle.
Eine von links einfallende harmonische Seilwelle trifft auf eine feste Halterung (aber es kann sich auch um eine ebene Lichtwelle handeln, die an einem Spiegel reflektiert ist) bei x = 0. Die Gesamtwelle setzt sich aus der einfallenden und der reflektierten Welle zusammen, wobei die Randbedingung $u(x=0,t) = 0$ $\forall t$ erfüllt werden muss. Die gesuchte Lösung ist

\begin{eqnarray*}
u(x,t) & = & A [\cos(\omega t - qx) -\cos(\omega t + qx)]\\
& = & 2A \sin qx \sin \omega t
\end{eqnarray*}



Wie die Figur zeigt, ist das keine normale laufende Welle mehr: Es gibt nämlich Schwingungsknoten, an denen die Welle überall verschwindet, und es gibt Schwingungszeiten an denen die Auslenkung immer verschwindet. Da die Schwingungsknoten eine feste Lage im Raum haben, spricht man von einer stehenden Welle. Die Schwingungsknoten sind durch die Gleichung $sin q x_n = 0$ bestimmt, d.h. $\vert x_n \vert = n\lambda/2$, $n = 0,1,2,3...$.

Abbildung 4.11: Stehende Welle (links) und Resonator (rechst)
\includegraphics [width=6cm]{f422.eps} \includegraphics [width=6cm]{f423.eps}

Beipiel 3: Eigenfrequenzen eines schwingenden Seils.
Hält man das Seil auch noch im Abstand L fest, so tritt die zusätzliche Randbedingung $\sin q L = 0$ auf, die nur für bestimmte $q$- Zahlen (d.h. für bestimmte Wellenlängen) erfüllbar ist: $\lambda_n = n L/2$, $n = 0,1,2,..$. Dies bedeutet, dass die stehende Welle im Gebiet $L$ nur bestimmte Frequenzen $\omega_n = \frac{n \pi c}{L}$ annehmen darf. Nur solche Wellen, die diese Frequenz haben, können im Gebiet $L$ zu beträchtlichen Amplituden schwingen. Daraus sieht man, dass stehende Wellen fast allen Musikinstrumenten zugrunde liegen: es ist damit möglich, bestimmte Noten zu selektieren. Wenn wir an Licht denken, das zwischen zwei Spiegeln reflektiert wird, so können wir uns genauso vorstellen, dass nur bestimmte Frequenzen und Wellenlängen zwischen den zwei Spiegeln existieren können. In diesem Fall spricht man von einem optischen Resonator. Ein solcher optischer Resonator ist eine fundamentale Komponente für die Erzeugung von Laserlicht, die sehr genau monokromatisch ist. Beipiel 4: Polarisation einer Welle.

\includegraphics [width=10cm]{f424.eps}

In der Phononenwelle, die wir zur Herleitung der Wellengleichung benutzt haben, schwingen die Atome entlang der Ausbreitungsrichtung. Eine solche Welle ist eine longitudinale Welle, d.h. sie ist longitudinal polarisiert. Es ist aber auch möglich, dass die Störung senkrecht zur Ausbreitungsrichtung stattfindet (Seilwelle und transversale Phononen): man spricht daher bei der Seilwelle von einer transversalen Polarisation. Dieselbe Polarisation haben EM Wellen, bei welchen E und B ebenso senkrecht zur Fortpflanzungsrichtung schwingen. Ein weiteres Beispiel einer longitudinal polarisierten Welle sind Schallwellen. Schall oder elastische Wellen in einem Stab, entstehen indem eine mikroskopische Menge von Atomen - etwa auf einer Ebene liegend - komprimiert wird. Es bildet sich in einem Volumenelement ein Überdruck, der die darausfolgende Menge von Atomen nach vorn befördert. Wie ein Domino breitet sich die ursprüngliche Kompression aus. Diese Kompression besteht aus einer Auslenkung der Atome aus ihrer Ruhelage, und zwar parallel zur Ausbreitungsrichtung. Schallwellen sind daher longitudinal polarisiert. Beipiel 5: Die Ausbreitung von Wellen in drei Dimensionen.
Die Grundlage für die Ausbreitung von Wellen im dreidimensionalen Koordinatenraum ist die dreidimensionale Wellengleichung

\begin{displaymath}
\frac{\partial^2 u(x,y,z,t)}{\partial t^2} = c^2 [\frac{\pa...
...}{\partial y^2}+
\frac{\partial^2 u(x,y,z,t)}{\partial z^2}]
\end{displaymath}

Eine sehr wichtige Lösung dieser Gleichung ist die ebene harmonische Welle $u(x,y,z,t) = A \cos (\vec q \vec x - \omega t)$, mit $\omega = c\vert \vec q\vert$. $\vec q$ ist der Wellenvektor. Alle Punkte $\vec x$ mit gleicher Auslenkung oder Phase liegen auf Ebenen mit der Gleichung $\vec q \vec x = Konst.$ Das sind Ebenen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung, die von $\vec q$ festgelegt ist. Neben den ebenen Wellen treten in der Physik zuweilen auch Wellen mit gekrümmten Flächen gleicher Phase auf, wie zum Beispiel Zylinder- oder Kugelwellen. Eine Kugelwelle, zum Beispiel, ist eine Welle, die einen kugelförmigen Wellenfront besitzt. Kugelwellen breiten sich typischerweise aus einer Punktquelle aus. Die allgemeine Form einer Kugelwelle, die sich vom Ursprung des Koordinatensystems mit Fortpflanzungsgeschwindigkeit c ausbreitet, finden wir als die Lösung der radialsymmetrischen Wellengleichung

\begin{displaymath}
\frac{\partial^2 u(r,t)}{\partial t^2} = c^2 \frac{1}{r}\frac{\partial}{\partial r}[r\frac{\partial u(r,t)}{\partial r}]
\end{displaymath}

\includegraphics [width=10cm]{f428.eps}

Das ergibt: $u(r,t) = \frac{f(r\pm ct)}{r}$, wie durch direktes Einsetzen sichtbar wird. Vergessen wir für einen Augenblick den Faktor r im Nenner. Die Amplitude der Welle zu einer bestimmten Zeit hat dann als Funktion des Abstands vom Ursprung eine bestimmte Gestalt, die mit der Geschwindigkeit c vom Ursprung ausläuft (oder zum Ursprung hinläuft). Der Faktor r im Nenner sagt uns aber, daß die Amplitude der Welle im Lauf der Ausbreitung proportional zu 1/r abnimmt. Mit anderen Worten: Während bei einer ebenen Welle die Amplitude während des Ausbreitungsvorgangs konstant bleibt, nimmt die Amplitude einer Kugelwelle stetig ab, wie es in der Figur dargestellt ist. Beipiel 6: Akustische Wellen in der Geologie. Die Erde kann zu Eigenschwingungen angeregt werden, insbesondere bei Erdbeben. Die Grundschwingungsperiode beträgt rund 50 Minuten, was etwa der Zeit eines akustischen Hin- und Rücklaufs durch die Erde entspricht. Das Bild zeigt die Deformation der Erde (nicht massstabgetreu) bei einer solchen Schwingung zur Zeit t = 0 und 25 min später. Akustische Wellen sind aber auch ein leistungsfähiges Hilfsmittel zur Untersuchung des Erdinnern. Unsere Kenntnis vom Erdinnern stammt hauptsächlich von seismologischen Beobachtungen. Aus der Reisezeit und Reiseroute von Erdbebenwellen kann man den radialen Verlauf der Schallgeschwindigkeit im Erdinnern bestimmen: Das Bild zeigt z.B. die longitudinalen und transversalen Schallgeschwindigkeiten im Erdinnern. Deutlich sichtbar ist das Nullwerden der transversalen Geschwindigkeit und damit der Schersteifigkeit im Erdinnern, welches auf den flüssigen Zustand des Erdkerns hinweist. Die akustische Information zeigt aber nicht nur die Existenz und Abmessung des flüssigen Erdkerns, sondern darüber hinaus weitere Unstetigkeiten, auf die wir hier nur hinweisen wollen. (Zum Beispiel die mit F bezeichnete Unstetigkeit in 5 200 km Tiefe, welche eine weitere Phasenänderung flüssig - fest innerhalb des Erdkerns andeutet.)

\includegraphics[width=6cm]{f425.eps}

\includegraphics[width=10cm]{f426.eps}

\includegraphics[width=10cm]{f427.eps}


next up previous contents
Nächste Seite: Über dieses Dokument ... Aufwärts: Schwingungen Vorherige Seite: Die lineare schwingende Kette   Inhalt
Kraeutler Vincent
2000-05-30